Ohrgeräusche/ Tinnitus
Diagnostik
- Untersuchung mit dem Ohrmikroskop
- Bestimmung von Frequenz und Lautstärke
- Ton und Sprachhörtest
- Untersuchung der Schwingungsfähigkeit des Trommelfelles
- Ggf. Otoakustische Emissionen und Hirnstammaudiometrie, um Erkrankungen des Hörnervs zu erkennen
Therapie
- Individuelle Beratung
- Bei neu aufgetretenem Ohrgeräusch ggf. wie beim Hörsturz medikamentöse entzündungshemmende und Durchblutung fördernde Therapie, evtl. Medikamentengabe direkt ins Mittelohr (intratympanale Cortisonherapie)
- Ggf. Verordnung von Hörgeräten, evtl. mit einer Funktion zur Verdeckung des Tinnitus
- Ggf. Vermittlung an Spezialisten zur Behandlung von chronischem Tinnitus
Ohrgeräusche sind grundsätzlich ein normales Phänomen, das eigentlich jeder kennt. In bestimmten Situationen können Ohrgeräusche aber massiv stören und zum Problem werden. Die überwiegende Mehrzahl aller Ohrgeräusche sind völlig harmlos. In seltenen Fällen können Ohrgeräusche aber auch ein Anzeichen für eine behandlungsbedürftige Erkrankung sein.
Objektive Ohrgeräusche (Knacken, Plätschern, Pulsschlag im Ohr)
Es gibt eine Reihe von objektiv messbaren Körpergeräuschen, die normalerweise vom Gehirn als normal eingeordnet und daher nicht bewusst wahrgenommen werden. Dazu gehört z.B. das Schlucken, das durch die dabei erfolgende Öffnung der Eustachischen Röhre ein Ohrenknacken hervorruft, das ungefähr so laut ist wie normale Sprache. Bei Störungen der Tubenventilation treten diese Geräusche unabhängig vom Schlucken auf, und dann können Sie auffallen und als unangenehm empfunden werden. Einen Sonderfall stellen feine Muskelzuckungen von Muskeln des Gaumensegels dar, wie viele sie vom Augenlid her kennen. Sie machen ein Morsezeichen-artiges unregelmäßiges Knacken im Ohr, das bei Bedarf gut mit Botulinumtoxin behandelt werden kann.
Ein mit dem Pulsschlag synchrones Rauschen kann man regelhaft bei starker Anstrengung hören. Treten solche Ohrgeräusche auch in Ruhe auf, sollte zunächst ein erhöhter Blutdruck als häufigste Ursache ausgeschlossen werden. Sehr selten finden sich als Ursache solcher Geräusche bestimmte Gefäßveränderungen, die ein Risiko für Hirnblutungen darstellen können oder stark durchblutete Tumore im Kopf, die mittels einer Kernspintomographie ausgeschlossen werden sollten. In den meisten Fällen kann aber keine eindeutige Ursache festgestellt werden.
Schmatzende, plätschernde oder rauschende Ohrgeräusche treten bei Cerumenpfröpfen, entzündlicher Sekretbildung oder Fremdkörpern im Gehörgang oder bei Flüssigkeitsansammlung hinter dem Trommfell (Paukenerguss) auf.
Subjektive Ohrgeräusche (Tinnitus)
Als subjektiven Tinnitus bezeichnet man Ohrgeräusche, denen keine tatsächliche Schallquelle zu Grunde liegt. Sie werden nur von der betroffenen Person gehört und sind nicht objektiv messbar oder bestimmbar. In der Regel handelt es sich um Dauertöne, die eine definierte Frequenz aufweisen, die aber durchaus wechseln kann. Inzwischen weiß man relativ gut, wie solche Töne entstehen. Im Innenohr gibt es viele Tausend Haarzellen, von denen jede einzelne für die Umsetzung einer definierten Schwingungsfrequenz in elektrische Energie zuständig ist und wiederum ein definiertes Faserbündel des Hörnerven erregt. Findet keinerlei Anregung eines Hörnervenfaserbündels durch Schall statt, bildet es mit gewisser Wahrscheinlichkeit eine synchronisierte Spontanaktivität aus, die in dem für diese Frequenz zuständigen Hirnareal als Ton wahrgenommen wird. Im Laufe des Lebens und im Zuge der Alterung des Gehörs sterben immer wieder kleine Gruppen von Haarzellen ab und im Bereich nicht mehr angeregter Hörnervenbündel kann es dann zur Ausbildung von spontaner Nervenaktivität und einem Tinnitus kommen. Wenn es sich dabei um große Gruppen von Haarzellen handelt, tritt auch ein messbarer Hörverlust auf. Bei Tinnitus "ohne Hörverlust" liegt aber vermutlich in den meisten Fällen auch ein Haarzellschaden zu Grunde, der nur nur zu gering ist, um sich mit den uns zur Verfügung stehenden groben Messmethoden sichtbar machen zu lassen.
Auch ein tonaler Tinnitus ist grundsätzlich ein normales Phänomen. In einer sehr interessanten Untersuchung wurden vollständig gesunde Versuchspersonen in einen schallabgeschirmten Raum gesetzt und wurden aufgefordert, auf eventuelle Ohrgeräusche zu achten. Fast alle von ihnen berichteten, zumindest zeitweise Pfeifftöne wahrgenommen zu haben. Im Alter über 60 gaben in einer Befragung ca. 70% an, zeitweise oder dauerhaft Ohrgeräusche zu haben. Tritt ein solcher tonaler Tinnitus neu störend laut auf und vergeht nicht innerhalb weniger Tage wieder, sollte zunächst ein Hörtest gemacht werden. Auch wenn kein Hörschaden messbar ist, kann eine Therapie wie beim Hörsturz in Erwägung gezogen werden, um den wahrscheinlich zu Grunde liegenden Innenohrschaden zu behandeln. Ob der Ton aber weiter Probleme bereitet, entscheidet sich vermutlich auf einem ganz anderen Schauplatz. Normalerweise werden, wie für das Schlucken bereits erwähnt, nomale Geräusche vom Gehirn rasch aus der bewussten Wahrnehmung ausgeblendet. Tritt ein solcher Ton aber zu einem Zeitpunkt auf, an dem wir angespannt oder besorgt sind, wird er als bedrohlich empfunden und ihm eine emotionale Bedeutung beigemessen. Dies hält den Ton in der bewussten Wahrnehmung und verstärkt ihn. Wie alles, was uns besonders gut gefällt oder besonders missfällt, gräbt er sich in unsere Erinnerung ein.
Mit dem Wissen, dass durch die HNO-Untersuchung eventuelle behandlungsbedürftige Ursachen für ein Ohrgeräusch ausgeschlossen sind und dem Verständnis um die Rolle der Aufmerksamkeit, die man dem Ohrgeräusch schenkt, können die meisten Patienten sich soweit von ihrem Ohrgeräusch distanzieren, dass es nicht langfristig zu einem Problem wird. Sollten Sie dennoch auch längerfristig stark unter Ihrem Ohrgeräusch leiden, so lassen wir Sie hiermit nicht allein. Sie sollten unbedingt vermeiden, sich von unseriösen Versprechen zu irgendwelchen kostspieligen Therapien verleiten zu lassen. Es gibt bislang kein Medikament gegen chronischen Tinnitus. Auch für eine Stimulation durch Laser, magnetische oder akustische Reize oder für eine Musiktherapie - Verfahren die immerhin seriös in Studien untersucht wurden -, konnte keine Wirksamkeit nachgewiesen werden. Wenn Sie auch unter einer Schwerhörigkeit leiden, kann eine Hörgeräteversorgung zu einer gewissen Linderung führen, gegen den Tinnitus allein hilft auch ein Hörgerät mit speziellen Noiser- oder Maskerfunktionen nur wenig. Wenn Sie begleitend zu Ihrem Tinnitus unter Depressionen, Angstzuständen oder Schlafstörungen leiden, so verspricht eine spezifische, eventuell auch medikamentöse Therapie dieser Probleme sehr viel mehr Erfolg als eine Tinnitustherapie. Wenn sie aber tatsächlich das Ohrgeräusch an sich angehen wollen, dann erfordert das ein gehöriges Maß an Mitarbeit Ihrerseits. Durch die so genannte kognitive Verhaltenstherapie, bei der mit Ihnen gezielt an Ihrer krankhaften Aufmerksamkeit dem Tinnitus gegenüber gearbeitet wird, konnten in mehreren Studien die Belastung durch das Ohrgeräusch deutlich reduziert werden. Wir können Sie hierfür an seriöse Spezialisten vermitteln. Ein neuer Ansatz, der eine ähnliche Richung verfolgt und der seit Jahresanfang 2021 neu zur Verfügung steht ist eine Tinnitus-App (Kalmeda). Wir können Ihnen diese App auf Rezept jeweils für 3 Monate verordnen. Wenn Sie sich dann mit dem Rezept an Ihre Krankenkasse wenden, bekommen Sie einen Code zur befristeten Freischaltung. Die Kosten werden sowohl von den gesetzlichen als auch den privaten Krankenkassen erstattet.
Wenn Sie sich unabhängig und werbefrei im Detail über den aktuellen Stand der Forschung bezüglich der Ursachen von Tinnitus und verschiedener Therapieansätze informieren möchten, legen wir Ihnen hierfür die offizielle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften zum chronischen Tinnitus aus dem Jahr 2015 ans Herz.
© Prof. Dr. Bernhard Olzowy, Februar 2021